Die Lebensfrohen

Das Land von Sommer und Winter - Teil 1: Sommer

Christoph und ich fliegen gerne. Es geht schnell, bequem und ist oftmals nicht teurer als die Alternativen. Es gibt sogar einen weiteren Vorteil, den man oft vergisst: die Aussicht. Ob abends oder tagsüber, wenn man das Glück hat, einen klaren Himmel zu haben, kann man ganz besondere Momente erleben, wie weite Meere, Küsten, Strände, Wälder oder einfach der unendliche Himmel bei Sonnenaufgang oder -untergang. Wir hatten dieses besondere Erlebnis bei unserem Flug von Argentinien nach Chile, denn dabei überquerten wir die Anden. Dieses riesige, rot-braune, manchmal graue Gebirge mit den weißen Spitzen ragte unter uns auf und ließ uns ab und zu an der Höhe des Flugzeugs zweifeln. Selten hat man die Gelegenheit, eines der höchsten Gebirge der Welt von oben und dennoch aus der Nähe zu betrachten. Der Blick wurde noch besser beim Landeanflug auf Santiago de Chile. Jeder, der Chile schon einmal auf einer Weltkarte gesehen hat, weiß, dass Chile zwar ein sehr langes, aber auch ein sehr schmales Land ist, im Durchschnitt gerade einmal 180 km. Und Santiago de Chile liegt quasi in der Mitte davon. So sieht man auf der einen Seite die beeindruckende Gebirgskette und auf der anderen Seite das weite, blaue Meer. Ein Anblick, den man nicht so schnell vergisst. 

Kaum aus dem Flughafen raus und mit dem Bus in die Innenstadt haben wir zwei Sachen sofort bemerkt: die Hitze und die Dürre. Santiago de Chile ist ein Paradebeispiel für eine Wüstenstadt. Sandige Wege, wenig Grünes und Häuser zwar aus Stein, aber dennoch heruntergekommen säumten die Wege. Und obwohl der Sand Richtung Stadtzentrum weniger wurde und es mehr Bäume gab, ließ die sengende Hitze und damit der trockene Eindruck dieser Stadt nicht nach. Christoph und ich hatten ein kleines Apartment in der Innenstadt von Santiago mit einem Extra-Highlight, einem Pool. Tja, zu früh gefreut, denn obwohl man sich vorher für die Benutzung anmelden musste (letzte Überbleibsel von der Quarantäne-Zeit), hielt sich natürlich keiner daran und der kleine Pool quoll von kreischenden Kindern, langsamen Rentnern und quatschenden Müttern über. Daher wurde aus dem Highlight eher ein tröstlicher Gedanke, wenn der Ventilator in der Wohnung nicht mehr ausgereicht hat. 

Santiago de Chile galt lange Zeit als eine der sichersten Städte in Südamerika, doch leider haben Corona und Einwanderungswellen (unabhängig voneinander) diesen Ruf zunichtegemacht. Es gab während der strikten Corona-Maßnahmen Aufstände und Plünderungen und um sich nun davor zu schützen, haben die meisten Geschäfte richtige Eisentore und Wachmänner vor ihren Eingängen. Verschlimmert haben das auch die laxen Gesetze in Chile, denn wenn nur wenige Straftaten begangen werden, benötigt man nicht viele und auch keine harten Strafen. Bis heute werden bei Diebstahl (solange kein körperlicher Schaden entstanden ist) nur die Personalien aufgenommen, nicht einmal eine Anzeige wird erstattet. Das haben irgendwie die Übeltäter spitz bekommen und machen sich nun diese Gesetzeslücken zu Nutze, wodurch die Kriminalität in den letzten Jahren enorm gestiegen ist. Die ganzen Befestigungen aus Stahl, Graffitis an jeder Ecke und doch eine Anzahl von Obdachlosen lassen die Innenstadt von Santiago in keinem guten Licht erstrahlen und dieser Eindruck verschwindet leider auch nicht durch die wenigen Highlights, die sie anbieten kann. Die zwei Straßen bei der Börse erinnern einen an das alte Paris (französische Architektur) und der Präsidentenpalast ist sicherlich beeindruckend, doch über  beiden schwebt der dunkle Schatten von Diktator Augusto Pinochet. Die Schreckensherrschaft ist noch gar nicht so lange her, daher spürt man auch noch in der jüngsten Geschichte die Nachwirkungen. Näheres kann man auch im Museum der Erinnerung und Menschenrechte erfahren, das sich keine zwei Querstraßen vom Präsidentenpalast befindet.

Übrigens sind in Chile alle öffentlichen Museen kostenlos, das sollte man eigentlich ausnutzen. Leider gibt es keine (öffentlichen) Museen über die ältere Geschichte und der einheimischen Bevölkerung von Chile, da zum einen die Kolonialmacht diese Geschichte verdrängt hat. Zudem haben sich die Einheimischen stark mit den Spaniern vermischt, was man immer noch spürt. Unser Tourguide hat uns viel über die chilenische Geschichte erzählt und dabei erwähnt, dass nur noch wenige Menschen in Chile (und wenn dann eher im Süden) über ihre Vorfahren und die ursprünglichen Traditionen Bescheid wissen. Dennoch ist Chile gleichzeitig das schlechteste Land um Spanisch zu lernen, denn fast jede 10. Wort hat keinen spanischen Ursprung, sondern stammt von Mapudungun (der offiziellen Sprache der Mapuche) ab. 

Was aber definitiv seinen Fingerabdruck hinterlassen hat in dieser komplizierten Geschichte, ist natürlich die katholische Kirche. Kirchen findet man an jeder zweiten Ecke, zu den ältesten gehört die Kirche San Augustin im Stadtzentrum. In dieser steht eine verfluchte Jesus-Statue zu der eine gruselige Geschichte von Hexerei, Orgien und sogar Mord gehört. Die Statue war von dem, was sie mit ansehen musste, so schockiert, dass ihr die Dornenkrone vom Kopf runter bis zum Hals gerutscht ist. Mönche dieser Kirche haben sie aufgenommen und versucht, ihr die Krone zu richten, doch sobald sie dies taten, passierte etwas Schlimmes (in den meisten Fällen ein Erdbeben) und die Krone rutschte wieder hinunter. Dieser Statue sollte man nicht länger als 3 Sekunden in die Augen schauen, ansonsten wird man ebenfalls verflucht und nachdem man die passende Geschichte gehört hat, versucht man sein Bestes, genau dieser Anweisung zu folgen. Das Land Chile liegt leider etwas ungünstig und wird seit jeher von schweren Erdbeben geplagt, auch das stärkste jemals aufgezeichnete Erdbeben (1960 mit 9,5 M) fand in Chile statt. Dadurch wurden immer wieder ganze Städte zerstört. Davon war auch immer wieder die San Augustin betroffen, die komplett zerstört wurde. Die Jesus-Statue hingegen überlebte jedes Erdbeben einwandfrei (wenn da keine Gänsehaut bekommt, hat keinen Sinn für Gruselgeschichten).

Einen wunderschönen Überblick über die Innenstadt bekommt man vom Santa Lucia Park. Eine kleine Einöde mit einer alten Festung, gelegen mitten in der Stadt, direkt neben einer Schnellstraße. Bei klarem Himmel kann man kilometerweise sehen und gleichzeitig das bunte und vor allen Dingen laute (ganz im Ernst, Santiago war einer der lautesten Städte, die wir bisher kennen gelernt haben) Treiben der Stadt entfliehen. Man kann natürlich auch auf den Cerro San Cristóbal mit einer Seilbahn fahren. Aber die Seilbahn kostet fast 20€ pro Person und ob man viel weiter blicken kann, bin ich mir unsicher. Christoph und ich haben uns für die kostenlose Variante entschieden und das hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Wenn man so nah an den Anden ist, sollte man doch auch mal hinfahren, haben wir uns gedacht. Gesagt, getan und mit einer kleinen Gruppe zum Cajon del Maipo, keine 2 Stunden von Santiago entfernt. Die steinige und wilde Landschaft ließ den Maipo-Fluss und den San Francisco-Gletscher in der Ferne umso mehr erstrahlen. Doch nichts übertraf das unnatürliche Blau des El Yeso-Stausees. Ein Anblick, den man nicht so schnell vergisst, besonders mit den Schneebergen im Hintergrund. Ein schönes Picknick bei einem kleinen Wasserfall rundete den Ausflug ab. 

Eine Enttäuschung hingegen war leider unser anderer Ausflug, der uns nach Valparaiso und Vina del Mar führte. Diese beiden kleinen Städte liegen auf der anderen Seite von Santiago, direkt an der Küste. Unser erster Stop war angepriesen als Weinverkostung, war aber nur eine Verkaufsveranstaltung, bei der man nur einen winzig kleinen Schluck zum Kosten bekam, keiner Englisch sprach und dass es um 9 Uhr morgens war, half nun auch nicht. Gut, weiter ging es nach Valparaiso, bekannt als Heimatort von Pablo Neruda (und Pinochet). Das Neruda gar nicht der bekannteste, heimische Schriftsteller in Chile ist, war eine interessante Information (quasi leider so gut die einzige, die wir an diesem Tag bekamen), noch interessanter wurde es als uns gesagt wurde, dass der berühmteste Schriftsteller in Chile eine Frau namens Gabriela Mistral ist, die im Jahre 1945 sogar den Literaturnobelpreis gewann. Der Bus fuhr uns hoch hinauf in die Stadt, von wo man einen wunderschönen Überblick über die Stadt hatte. Runter sind wir gelaufen und haben die unzähligen Graffitibilder dabei genossen. Die Stadt ist übersät mit bunten Häusern und wilden Bildern. Wer etwas für sein Instagram-Herz tun möchte, ist hier genau richtig, genauso wie jeder Hobby-Fotograf. Wir ließen uns dieses Erlebnis auch nicht nehmen und schossen so viele Fotos, dass der Speicherplatz kaum ausgereicht hat. 

In Vina del Mar gibt es genau zwei Sehenswürdigkeiten: eine riesige Uhr aus Blumen (die dann doch überraschend und enttäuschend klein war) und das Heimatmuseum, in das wir nicht hineingegangen sind. Das war allerdings auch nicht nötig, denn das Highlight des Museums stand vor dessen Tür (etwas kontraproduktiv meiner Meinung nach). Ein originaler Moai-Kopf von den Osterinseln, wo wir es uns wieder nicht nehmen ließen, so viele Fotos wie möglich zu schießen und einige an der Nase herumzuführen und sie glauben zu lassen, wir wären tatsächlich auf den Osterinseln 😛

Vina del Mar ist eine Touristenhochburg und hat entsprechende Preise. Da wir unserer Meinung nach schon zu viel für die Tour bezahlt hatten, sollte unser Mittagessen eher günstiger ausfallen. Also haben wir Peruanisch gegessen, logische Wahl und es war hervorragend. 😂

Ansonsten gibt es in Vina del Mar natürlich den Strand und das Meer, das wir für eine halbe Stunde genießen konnten, bevor es wieder zurückging. 

Da wir ein kleines Apartment hatten, haben wir in Santiago de Chile nicht oft auswärts gegessen. Da haben wir allerdings auch nicht viel verpasst, da Chile eine ziemlich von Spanien beeinflusste Küche hat. Die ist natürlich ebenfalls sehr gut, aber Chile hat nicht so wirklich eine eigene Küche, genauso wenig eine eigene Braukultur (jedenfalls im Norden des Landes). Viel Mais und Kartoffeln mit Fleisch, daraus bestehen die meisten Gerichte. Durch den spanischen Einfluss gibt es auch hier Empanadas, nur deutlich größer und trotzdem mit weniger Füllung.

Leider müssen wir sagen, dass wir von Santiago de Chile wenig beeindruckt waren. Und auch wenn die Umgebung etwas gut gemacht hat, braucht man nur einige Tage dort verbringen. Da gibt es wesentlich schönere Ecken in Chile.

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